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Verein

KASSANDRA e.V.

seit 1987

Unser

Leitbild

Der Verein KASSANDRA e.V. wurde 1987 gegründet und ist Träger einer Fachberatungsstelle mit vielfältigen Unterstützungsangeboten für alle Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. Der Verein und die Beratungsstelle sind die einzigen für Sexarbeiter*innen in Bayern, die aus der Selbsthilfe entstanden sind. Wichtige Entscheidungen trifft die Mitgliederversammlung. Nach Außen wird der Verein durch den Vorstand vertreten.

Der Grundsatz der Arbeit von Kassandra e.V. ist die Akzeptanz von Prostitution als Teil der Gesellschaft. Dabei wird klar differenziert zwischen Prostitution als sexuelle Dienstleistung gegen Entgelt und sexualisierter Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel. Unter Sexarbeit verstehen wir einvernehmliches Handeln zwischen erwachsenen Personen.

Kassandra e.V. tritt ein für eine konsequente Entdiskriminierung und Entkriminalisierung von Sexarbeiter*innen, für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen und für eine rechtliche Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten sowie für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft für die Belange von Sexarbeiter*innen.

Wir verstehen uns als Dienstleister*innen für Ratsuchende in prostitutionsspezifischen Belangen. Unsere Einrichtung steht allen Menschen aus der Sexarbeit offen, unabhängig von sexueller Orientierung, Herkunft und/oder Ethnie.

Ebenso sind wir professioneller Ansprechpartner für Ämter, Behörden und andere Institutionen, denen wir unser spezifisches Fachwissen zur Verfügung stellen.

Die Arbeit der Beratungsstelle von Kassandra e.V. orientiert sich an der Lebenswelt und dem Bedarf der in der Sexarbeit tätigen Menschen.

Klientinnen werden nach Erforderlichkeit (wahlweise auch anonym) informiert, beraten, unterstützt, stabilisiert, professionalisiert und begleitet. Die Arbeit der Beratungsstelle zielt darauf ab, dass Klient*innen selbstbestimmte, eigene Entscheidungen treffen, Konfliktlösungsmöglichkeiten entwickeln und ihre Lebensumstände und -planung weitestgehend selbst gestalten. Bei Bedarf vermitteln wir an andere Fachstellen weiter.

Mittels kultureller Mediation wird dem hohen Anteil von Sexarbeiter*innen mit Migrationshintergrund Rechnung getragen. Die Sprachmittler*innen unterstützen erst einmal eine bessere Kontaktaufnahme und helfen bei der Verständigung und Überwindung kultureller Unterschiede. Die Integration vom Migrant*innen ist ein Ziel/Ergebnis der Beratungsarbeit.

Eine respektvolle, nicht bevormundende Grundhaltung im Umgang mit Sexarbeit*innen ist die Voraussetzung für einen vertrauensvollen und niedrigschwelligen Zugang. Dieser wird zudem verstärkt durch den Einsatz von Peers mit eigener Prostitutionserfahrung.

Kassandra e.V. ist Teil verschiedener Netzwerke, Gremien und Arbeitskreise. Wir pflegen im regionalen und überregionalen Hilfesystem eine enge und gute Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, um unseren Klient*innen eine umfangreiche Unterstützung und Beratung bieten zu können.

Die Einhaltung des Datenschutzes und der Schweigepflicht sind selbstverständlich.

Mit den uns anvertrauten Spenden und öffentlichen Mitteln gehen wir verantwortungsvoll um und legen Rechenschaft über Ausgaben und Einnahmen ab.

Die Qualität der Arbeit ist durch Qualitätsmanagement gesichert.

Unsere

Geschichte

Die Vorgeschichte von KASSANDRA e.V.

1987

In aller Welt grassiert die AIDS-Hysterie. Noch gibt es keine Medikamente. Viele Menschen haben Angst. In Bayern werden Pflicht-AIDS-Tests für „Ansteckungsverdächtige“ angeordnet. Infektionen mit HIV (und anderen sexuell übertragbaren Infektionen) lassen sich im Gegensatz zu Ansteckung mit z.B. Tuberkulose oder Masern durch präventives Verhalten (= Kondombenutzung) relativ einfach vermeiden. Trotzdem gelten einzig Prostituierte nun als „Ansteckungsverdächtige“ und werden regelmäßig überprüft (und gelegentlich Drogengebraucher*innen). Prostituierte fühlen sich diskriminiert. Sie behaupten: wir arbeiten professionell, wir fordern Kondombenutzung von unseren Kunden ein – wir sind nicht häufiger von HIV betroffen als andere Menschen!

Die Pflicht-AIDS-Tests werden bei Nichterscheinen mit polizeilicher Fahndung und „Zwangsvorführung“ durchgesetzt. Außer HIV wird auch Syphilis getestet, zusätzlich werden vaginale Abstrichuntersuchungen durchgeführt – bei Verweigerung auch gegen den Willen der Betroffenen.

Parallel hierzu wird im öffentlichen Gesundheitswesen die Kultur der anonymen (und freiwillig nutzbaren) AIDS-Tests für jedermann entwickelt.

Entstehungsgeschichte von KASSANDRA e.V.

1987
Es reicht! Wir organisieren uns! Ein gutes Dutzend Frauen aus der Prostitution und aus anderen Berufen (50:50) gründet den Verein und baut eine Beratungsstelle für Sexarbeiter*innen auf. Der Name „Kassandra“ erinnert an die gleichnamige Seherin von Troja, deren Prophezeihungen niemand glaubte. Genau so fühlten wir uns durch den Generalverdacht der Verbreitung von AIDS.

1987/1993
Wir hinterfragen die Verhältnismäßigkeit von Pflichtuntersuchungen an Sexarbeiter*innen und haben Erfolg damit. Es wird durch eine bundesweite Studie° zu den Pflichtuntersuchungen an über 9000 Prostituierten nachgewiesen, dass sie sogar seltener mit HIV/STI°° infiziert sind, als Angehörige anderer Personengruppen! „Zwangsuntersuchungen von Prostituierten gehen an epidemiologisch relevanten Gruppen völlig vorbei“, war die Schlußfolgerung mit einem Plädoyer für die Abschaffung jeglicher Untersuchungspflicht.

Unterdessen protestieren Sexarbeiter*innen weltweit mit dem Slogan:

The virus is N O T on the D o l l a r - B i l l s !

2001
Endlich gesetzliche Konsequenzen: die Abschaffung von jeglichen Zwangstests°°° und die Einführung von anonym und kostenlos nutzbaren
HIV/STI°°-Tests für alle Menschen mit einem besonderen Infektionsrisiko°°°°

Infektionsschutzgesetz aus dem Jahr 2001, § 19
° Trossen, 1993 (damals Leiter des Wiesbadener Gesundheitsamtes, befragte ab 1991 bundesweit andere Gesundheitsämter nach ihren Zahlen) https://www.peterlang.com/view/title/39135?tab=aboutauthor (ISBN 978-3-631-45470-1)
°° STI = sexually transmitted infections = Sammelbegriff für sexuell übertragbare Infektionen
°°° auf Grundlage des „Bundesseuchengesetzes“ und des „Geschlechtskrankengesetzes“, in denen Prostituierte niemals direkt benannt waren
°°°° verankert im Infektionsschutzgesetz § 19

Für den Bereich der professionellen Sexarbeit fordern wir eine rechtliche und sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung von Prostituierten mit anderen Erwerbstätigen und die Abschaffung aller Sondergesetze im Strafrecht.

Prostituiertenverbände beklagen, dass bislang nicht alle Sondergesetze im Strafgesetzbuch abgeschafft wurden. Wir fühlen uns durch deren Existenz diskriminiert. Zu unserem Schutz reichen uns die gleichen Gesetze, die für andere Bürger*innen auch gelten: Körperverletzung, Vergewaltigung, Nötigung, Betrug etc.

Vereinsmitgliedschaft

Wir freuen uns über neue Mitglieder, die sich engagieren und Teil unseres Teams werden wollen! Wir freuen uns auf Sie und Ihre Mithilfe.

Fördermitgliedschaft

Ohne finanzielle Unterstützung wären unsere bisherigen Projekte nicht umsetzbar gewesen. Wir danken jedem einzelnen Spender für seine Mithilfe!

Unsere Unterstützer

Förderer & Sponsoren